Mittwoch, 17. September 2025

Grüßt jeder Asiate mit gefalteten Händen? — Ein 10-Minuten-Leitfaden, der Vorurteile abbaut

 

Grüßt jeder Asiate mit gefalteten Händen? — Ein 10-Minuten-Leitfaden, der Vorurteile abbaut

Diese Geschichte beginnt in einem deutschen Büro. Beim ersten Kennenlernen kam ein neuer Kollege auf mich zu, sah mir in die Augen und grüßte mich, indem er die Hände vor der Brust faltete (🙏). Es war eine herzliche Geste, die ich zu schätzen wusste, und doch hinterließ sie bei mir ein kleines Fragezeichen: "Ich bin Koreaner, warum hat er mich so gegrüßt?" Genau aus dieser Frage ist dieser Artikel entstanden. Woher kommt das weitverbreitete Klischee „Asien = Gebetsgeste“ und wie sehr weicht es von der Realität ab?

Um es auf den Punkt zu bringen: Der Gruß mit gefalteten Händen ist eine wertvolle Tradition, die in bestimmten asiatischen Regionen und Kontexten verwendet wird – aber er ist keineswegs der „Standard-Gruß“ für den gesamten Kontinent. In Wahrheit sind die Begrüßungsrituale in Asien so vielfältig wie die Länder und Kulturen selbst. Sie variieren je nach Region, Generation, Situation und persönlicher Beziehung.

Die Begrüßungskulturen in Asien sind erstaunlich facettenreich. Ein bekanntes Beispiel ist der Wai in Thailand, bei dem die Hände vor der Brust zusammengelegt und der Kopf leicht gesenkt wird. Die Höhe der Hände und der Winkel des Kopfes drücken dabei den Grad des Respekts aus und werden traditionell als Erstes von jüngeren Personen gegenüber Älteren vollzogen. Der Namaste-Gruß in Indien, der oft von einem leichten Nicken begleitet wird, ist eine gängige Begrüßung und hat gleichzeitig eine tiefere spirituelle Bedeutung. In Indonesien und Malaysia wiederum gibt es den Sembah und andere ähnliche Formen, die je nach Region und Religion variieren. In Ländern wie Südkorea und Japan sind allerdings Kopfnicken oder Verbeugungen weitaus gängiger als der Gruß mit gefalteten Händen. Letzteres findet man dort meist nur in bestimmten religiösen Kontexten, wie zum Beispiel im Buddhismus. Auch in China ist man heute von den traditionellen Gesten wie der Gongshou abgerückt. Stattdessen sind Kopfnicken, Händeschütteln oder einfach eine freundliche Begrüßung mit Worten üblich. Wie Sie sehen, ist es nahezu unmöglich, zu sagen: „So grüßen alle Koreaner“ oder „Japaner machen immer das Gleiche“.

Doch warum hat sich ausgerechnet dieses Stereotyp „Asien = Gebetsgeste“ so hartnäckig gehalten? Dies liegt zum Großteil an der vereinfachenden Darstellung in den Medien. Filme, Werbung und Reiseplakate nutzen oft eine einzige, visuell beeindruckende Geste, um eine ganze Kultur zu repräsentieren. Für die Tourismusbranche ist eine solche simple, leicht zu verstehende Symbolik ebenfalls praktisch. Das ist eine Folge der Tendenz, komplexe kulturelle Vielfalt durch ein einziges, einfach zu merkendes Symbol zu ersetzen – und häufig wird dabei eine „exotische“ Sichtweise von außen verstärkt, bei der fremde Kulturen auf ein einziges, auffälliges Merkmal reduziert werden.

Die Geste an sich ist eine wunderschöne Form des Respekts. Das eigentliche Problem entsteht erst dann, wenn sie unterschiedslos auf alle asiatischen Menschen angewendet wird. Auf persönlicher Ebene kann dies zu Erwartungsdruck führen („Warum grüßt du nicht so?“) und ein Gefühl der Distanz oder Peinlichkeit erzeugen. In der Öffentlichkeit kann die ständige Überbetonung eines einzigen Symbols in Kampagnen oder in der Werbung zu einer oberflächlichen Wahrnehmung asiatischer Kulturen führen. Dieses „Eine-Bild-Klischee“ kann somit die Chance auf ein tieferes Verständnis und einen echten Austausch verhindern.

Im Grunde ist ein Gruß weit mehr als eine Geste – er ist ein soziales Werkzeug, das mit großer Sorgfalt Nähe, Distanz und Respekt reguliert. Ein einfaches Kopfnicken oder eine Verbeugung drückt Ehrerbietung und Bescheidenheit aus und hält gleichzeitig Distanz, während ein Händedruck Gleichheit und Vertrauen symbolisiert. Ein Lächeln oder ein gesprochenes „Hallo“ schafft eine freundliche, ungezwungene Atmosphäre. Der Gruß mit gefalteten Händen hingegen hat eine stark respektvolle und rituelle Bedeutung, die vom Kontext abhängt. Das Wichtigste ist, gemeinsam mit der anderen Person herauszufinden, welche Art von Begrüßung in der jeweiligen Situation am besten passt. Während in offiziellen thailändischen Geschäftstreffen der Wai üblich ist, greifen Menschen in internationalen Kreisen oft zu einem Mix aus Händeschütteln und Nicken. Am koreanischen Arbeitsplatz beginnt die Begrüßung oft mit einem höflichen Nicken, das mit zunehmender Vertrautheit zu einem lockeren Handschlag oder einem freundlichen Winken wird. Bei Menschen mit Migrationshintergrund kann es zudem sein, dass sie körperlichen Kontakt (Händeschütteln oder Umarmungen) je nach Herkunft, Religion oder persönlicher Überzeugung nicht wünschen. Deshalb ist es immer am sichersten, vorher zu fragen.

Wie können wir also bei einer ersten Begegnung respektvoll grüßen? Die sicherste und wertschätzendste Methode besteht aus drei einfachen Schritten: einem neutralen Angebot, dem Respekt der Wahl der anderen Person und einem Spiegeln der Geste. Sie könnten zum Beispiel vorschlagen: „Sollen wir uns die Hand geben oder einfach nur „Hallo“ sagen?“ Und wenn die Person sich für eine bestimmte Art entscheidet, folgen Sie einfach dieser. Falls Sie einen Fehler gemacht haben, ist es am besten, offen zu sein und zu sagen: „Ich bin hier nicht so vertraut mit den Gepflogenheiten, wie grüßen Sie sich hier üblicherweise?“

  • Deutsch: „Wie begrüßen Sie sich hier üblicherweise?“

  • Englisch: „How do you usually greet people here?“

Besonders für Medienschaffende und Designer ist es wichtig, die kulturelle Vielfalt zu respektieren. Vermeiden Sie die wiederholte Verwendung von Emojis oder Fotos mit gefalteten Händen, um eine ganze Kultur darzustellen. Stattdessen sollten visuelle Darstellungen unterschiedliche Situationen zeigen, zum Beispiel offizielle vs. inoffizielle Kontexte. Beschriften Sie Bilder mit konkreten Details („Verbeugung bei einem Geschäftstreffen in Japan, ca. 30°“) und nutzen Sie Alternativtexte, um nicht nur die Geste, sondern auch den Kontext und den gegenseitigen Respekt zu beschreiben.

Am Ende bleibt uns die Frage: „Warum habe ich zuerst an dieses Klischee gedacht?“ Wahrscheinlich, weil es uns von Filmen, Werbungen und Reiseberichten ständig vermittelt wird. Doch wahre Begegnung findet nicht in einem einzigen Bild, sondern im echten Austausch statt. Die Bereitschaft, die andere Person zu fragen, wie sie am liebsten grüßt, ist der erste und wichtigste Schritt, um Klischees zu überwinden und echten Respekt zu zeigen. Es ist die beste Art, um einen Raum für gegenseitiges Verständnis zu schaffen.

Anhang: Kurzübersicht der Begrüßungen in Asien

Land / Region

Vorwiegend verwendete Begrüßungen

Kontext und Anmerkungen

Thailand

Wai

Höhe der Hände und Kopfneigung drücken Respekt aus. Jüngere grüßen Ältere zuerst.

Indien

Namaste

Alltagsgruß, der auch eine spirituelle Bedeutung haben kann. Ohne Körperkontakt.

Südkorea

Nicken, Händeschütteln, verbale Grüße

Am häufigsten. Verbeugungen bei großem Respekt oder formellen Anlässen.

Japan

Nicken (Eshaku), Verbeugung (Ojigi)

Winkel der Verbeugung (15°, 30°, 45°) variiert je nach Bedeutung. Wichtig in Geschäft und Alltag.

China

Händeschütteln, Nicken, verbale Grüße

Am gebräuchlichsten in der modernen chinesischen Gesellschaft.

Indonesien / Malaysia

Sembah, Salam

Ähnliche Gesten, jedoch ist auch der Salam-Gruß nach dem Händeschütteln weit verbreitet.

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